Abschrift
Geschäftsnummer:
1
Ds 503 Js 36735/01 Ak 151/02
Amtsgericht
Weinheim
Im
Namen des Volkes
Urteil
in
der Strafsache
Klaus Günter Annen
geboren am xxxxxxxxxx in xxxxxxxxxx
wohnhaft Cestarostr. 2, 69469 Weinheim,
verheiratet, kaufm. Angestellter, Staatsangehörigkeit: deutsch
Verteidiger:
RA Leo Lennartz, 53879 Euskirchen
wegen
Beleidigung - Pressesache -
Das
Amtsgericht Weinheim - Strafrichter - hat in der Sitzung vom 25.03.2003, an der
teilgenommen haben:
Direktor
des Amtsgericht Dr.
Münchbach als
Vorsitzender
STA
Klein u. RRef. Weltgen
als Vertreter der Staatsanwaltschaft
RA
Lennartz
als Verteidiger
JOSin
Mildebrath
als Urkundenbeamtin/er der Geschäftsstelle
für
Recht erkannt:
Der
Angeklagte Klaus Günter Annen wird freigesprochen.
Die
Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der
Staatskasse zur Last.
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Gründe:
I.
Mit
Anklage vom 21.03.2003 hat die Staatsanwaltschaft Mannheim dem Angeklagten
folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:
Er
habe
als
presserechtlich Verantwortlicher am Wochenende des 01./02.09.2001 in Koblenz auf
öffentlichen Veranstaltungen wie u.a. Wein- und Stadtfesten in großer Zahl
Flugblätter zur Verteilung gebracht bzw. bringen lassen, in denen er trotz
Kenntnis der Straflosigkeit beratender Schwangerschaftsabbrüche in bewußt
irreführender und herabsetzender Weise u.a. folgendes ausgeführt hat:
"Rechtswidrige
Abtreibungen im Städt. Kemperhof Koblenz/Stoppt den Kindermord!"
sowie
"Wußten
Sie schon, daß ... in dem Städt. Krankenhaus Kemperhof, Koblenz, rechtswidrige
Abtreibungen ... vorgenommen werden."
Strafantrag
wurde form- und fristgerecht gestellt.
Der
Angeklagte wird daher beschuldigt,
andere
beleidigt zu haben,
strafbar
als
Vergehen
gem. §§ 185, 194 Abs. 1 und 3 StGB.
Mit
Beschluß des Amtsgericht Weinheim vom 22.08.2002 wurde die Eröffnung des
Hauptverfahrens abgelehnt. Das Landgericht Mannheim hat auf die Beschwerde der
Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 27.11.2002 das Hauptverfahren wegen
Verdachts der Beleidigung eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft
Mannheim vom 21.03.2002 zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Weinheim
zugelassen. Das Landgericht Mannheim sieht in dem Passus "rechtswidrige
Abtreibungen" die Tatsachenbehauptung, im Städt. Klinikum Kemperhof
würden unzulässige Schwangerschaftsabbrüche nach der 12.
Schwangerschaftswoche vorgenommen.
Der
Angeklagte hat in der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt, am 1./2.09.2001
vor dem Städt. Klinikum Kemperhof in Koblenz Flugblätter verteilt zu haben,
die folgenden Wortlauf hatten:
zum Flugblatt: Außenteil Innenteil
II.
Der
Angeklagte war mit der Kostenfolge aus § 467 StPO freizusprechen.
Die
Vorgehensweise des Angeklagten erfüllt aus rechtlichen Gründen keinen
Strafbestand. Vielmehr hat der Angeklagte gem. § 193 StGB in Wahrnehmung
berechtigter Interessen gehandelt, indem er von seinem Grundrecht auf freie
Meinungsäußerung gem. Artikel 5 Abs. 1 S. 1 GG Gebrauch gemacht hat.
1.
Der
Angeklagte ist ein überzeugter Abtreibungsgegner, der seit Jahren in der
gesamten Bundesrepublik mit verschiedenen Aktionen gegen die hier geübte Praxis
legaler Schwangerschaftsunterbrechungen zu Felde zieht. Sein Hauptanliegen ist
der Schutz des werdenden Lebens, den er als vorrangig, insbesondere auch
gegenüber den Interessen der Schwangeren, ansieht. Nach seiner Überzeugung ist
jede Art der Abtreibung als Verstoß gegen die Menschenrechte verwerflich
und stellt strafwürdiges Unrecht dar.
Nach Meinung des
Angeklagten verläßt der Staat, der das Töten des ungeborenen Lebens zuläßt,
den Boden der Menschenrechte und stellt seine Demokratie in Frage, weil er
bestimmte Menschengruppen, nämlich ungeborene Kinder, vom strafrechtlichen
Schutz ausschließt. Die Polemik des Angeklagten richtet sich keineswegs
nur gegen die Legalisierung "beratener" Schwangerschaftsabbrüche im
Sinne des § 218 a Abs. 1 StGB, sondern auch gegen Indikationsmodelle aller Art.
Der Angeklagte streitet für die Einführung einer weitergehenden Strafbarkeit
der Schwangerschaftsabbrüche, wie sie etwa in den früheren Fassungen des §
218 StGB gegeben war.
Auch
durch die Verteilung des verfahrengegenständigen Flugblattes wollte der
Angeklagte dieser seiner Überzeugung zum Durchbruch verhelfen. Sein primäres
Anliegen ist die grundsätzliche Verurteilung von Schwangerschaftsabbrüchen
aller Art, die er mit den Worten "Stoppt den Kindermord" drastisch zum
Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um eine
Meinungsäußerung über eine die Öffentlichkeit im besonderen Maße
interessierende Frage. Insoweit macht der Angeklagte von seinem Grundrecht auf
Meinungsfreiheit gem. Artikel 5 Abs. 1 GG Gebrauch.
Der
Leitsatz des vom Angeklagten in eigener Sache erstrittenen (Zivil) Urteils des
Bundesgerichtshofs vom 30.05.2000 lautet:
"Eine
Meinungsäußerung im Rahmen eines Beitrags zur politischen Willensbildung in
einer der Öffentlichkeit wesentlich berührenden, fundamentalen Frage, bei der
es um den Schutz des Lebensrechts Ungeborener geht, muß nach Artikel 5 Abs. 1
GG in einer freiheitlichen Demokratie grundsätzlich selbst dann toleriert
werden, wenn die geäußerte Meinung extrem erscheint".
Bei
der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es um eine frühere Fassung des
Flugblattes in dem der Passus enthalten war:
"Damals:
Holocaust - heute: Babycaust".
Die
in dem aufgeführten Zivilurteil des Bundesgerichtshofs (NJW 2000, 3421 ff)
angeführten verfassungsrechtlichen Grundsätze verlangen umso mehr Beachtung,
wenn es - wie hier im Strafverfahren - um die staatliche Sanktionierung von
Meinungsäußerungen geht.
Daß
der Angeklagte im vorliegenden Fall von "Kindermord" spricht, ist eine
zwar polemisch überspitzte, aber im Meinungskampf zulässige Äußerung, wobei
ersichtlich der Ausdruck "Mord" nicht im rechtstechnischen Sinne des $
211 StGB sondern im abgeschwächten Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs zu
verstehen ist (vgl. BVerfG NJW 95, 3303).
2.
Das
Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos
gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 1GG findet es seine Schranke in den
Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze
der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Jedoch sind
grundrechtsbeschränkende Vorschriften des einfachen Rechts wiederum im Lichte
des eingeschränkten Grundrechts auszulegen, damit dessen wertsetzende Bedeutung
für das einfache Recht auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt
(vgl. BVerfGE 7, 198,208). Das führt in der Regel zu einer fallbezogenen
Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit und dem Rang des durch die
Meinungsfreiheit beeinträchtigten Rechtsgutes, deren Ergebnis sich wegen ihres
Fallbezuges nicht generell und abstrakt vorwegnehmen läßt. Wenn es um
Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer der Öffentlichkeit berührenden
Frage geht, spricht jedoch die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede
(BVerfG NJW 94, 2942).
Allerdings
tritt bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder
Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz
zurück. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effektes hat das
Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der
Schmähkritik aber eng definiert. Danach macht eine überzogene oder gar
ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.
Hinzutreten muß vielmehr, daß bei der Äußerung nicht mehr die
Auseinandersetzung, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.
Sie muß jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen
Herabsetzung bestehen. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in
einer der Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen nur ausnahmsweise
vorliegen und im übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt
bleiben (BVerfG NJW 95, 3003, 3304).
Merkmal
der Schmähung ist die das sachliche Anliegn in den Hintergrund drängende
persönliche Kränkung.
Im
vorliegenden Fall geht es dem Verfasser des Flugblattes ersichtlich um die
Geltendmachung seiner persönlichen Auffassung zum Schutz des Lebens vor der
Geburt und nicht um die persönliche Herabsetzung der mit
Schwangerschaftsabbrüchen befaßten Ärzte des Städt. Krankenhauses Koblenz,
die er noch nicht einmal namentlich benennt. Im Vordergrund stand für den
Angeklagten "die Sache" und nicht die Person der angegriffenen Ärzte,
sodaß eine Schmähkritik hier ausscheidet.
3.
Läßt
sich eine Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als
Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf
die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsfüter an. Dabei spielt
es aber, anders als im Fall von Tatsachenbehauptungen, grundsätzlich keine
Rolle, ob die Kritik berechtigt und das Werturteil "richtig" ist.
Werturteile sind vielmehr durchweg von Artikel 5 Abs. 1 GG geschützt, ohne daß
es darauf ankäme, ob die Äußerung "wertvoll" oder
"wertlos", "richtig" oder "falsch" emotional oder
rational ist. Sogar polemisch oder verletzend formulierte Aussagen sind nach
Auffassung des Bundesverfassungsgericht nicht schon deshalb dem Schutz des
Grundrechts entzogen (vgl. BVerfG NJW 95, 3303, 3304).
Dagegen
fällt ins Gewicht, ob von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Rahmen einer
privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im
Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage
Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen
Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht nach der ständigen
Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vermutung zu Gunsten der
Freiheit der Rede ( vgl. BVerfG NJW 1983, 1415; NJW 00, 3422).
Das
ist insbesondere zu beachten, wenn die Ehrenschutzvorschriften der §§ 185 ff
StGB wie hier - nicht unmittelbar auf Personen, sondern auf staatliche
Einrichtungen bezogen werden (vgl. BGH NJW 2000, 3421, 3422).
Ohne
Zweifel handelt es sich bei der Frage der Abtreibung um ein Thema, das in der
Öffentlichkeit in der Vergangenheit und Gegenwart wie kaum ein anderes -
teilweise sehr emotional - diskutiert worden ist. Indem der Angeschuldigte
hierzu pointiert Stellung nimmt, nimmt er über seine Privatinteressen
hinausgehend am öffentlichen Meinungskampf teil und macht somit Gebrauch von
dem ihm in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrecht.
4.
In
den Augen des Angeklagten, der ein unbedingter, kompromissloser
Abtreibungsgegner ist, muß die Vornahme "beratener"
Schwangerschaftsabbrüche gem. 218 a Abs. 1 StGB mehr noch als
"indizierte" Abbrüche gem. § 218 a Abs. 2 u. 3 StGB ein besonders
gravierender Rechtsbruch sein. Um die Öffentlichkeit auf diesen seiner Meinung
nach untragbaren Mißstand nachdrücklich aufmerksam zu machen, prangert
er - wie auch in zahlreichen anderen Fällen - die Ärzte des Städt.
Klinikums Kemperhof in Koblenz an, "rechtswidrige Abtreibungen"
vorzunehmen.
Diese
Äußerung enthält sowohl eine Tatsachengrundlage als auch Elemente einer
Meinungsäußerung. Soweit der Angeklagte damit behauptet, im Städt, Klinikum
Kemperhof würden "beratene" Schwangerschaftsabbrüche gem. § 218
Abs. 1 StGB vorgenommen, handelt es sich um eine Tatsache, deren Unwahrheit auch
die Anzeigeerstatterin nicht behauptet.
In
dem Adjektiv "rechtswidrig" liegt eine Wertung, die nach den
Maßstäben des Artikels 5 Abs. 1 GG als Meinungsäußerung zu beurteilen ist.
Unabhängig von der in diesem Bereich vorzunehmenden Abwägung zwischen
Meinungsfreiheit und Ehrenschutz kann die Charakterisierung
"beratener" Schwangerschaftsabbrüche als rechtswidrig, d.h. der
Gesamtrechtsordnung widersprechend schon deshalb nicht als Beleidigung strafbar
sein, weil diese Auffassung auch vom Bundesverfassungsgericht im zweiten
Abtreibungsurteil (vgl. BVerfG NJW 93, 1751 ff) vertreten wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat dort u.a. festgestellt:
"Mithin
kann der Gesetzgeber im Rahmen einer Beratungsregelung das gewünschte Ergebnis,
die Frau nicht mit Strafe zu bedrohen, wenn sie - nach stattgehabter Beratung -
die Schwangerschaft in der Frühphase durch einen Arzt abbrechen läßt,
verfassungsrechtlich unbedenklich nur durch einen Tatbestandsausschluß
erreichen. Er muß dann freilich dafür Sorge tragen, daß das grundsätzliche
Verbot des Schwangerschaftsabbruchs für die gesamte Dauer der Schwangerschaft
das danach im Umfang des Tatbestandsausschlusses nicht mehr in einer
Strafbestimmung enthalten ist, an anderer Stelle der Rechtsordnung in geeigneter
Weise zum Ausdruck kommt. Die Herausnahme des Schwangerschaftsabbruchs aus dem
Straftatbestand läßt Raum, das grundsätzliche Verbot eines
Schwangerschaftsabbruchs, für den rechtfertigende Ausnahmetatbestände nicht
festgestellt sind, in den übrigen Bereichen der Rechtsordnung zur Geltung zu
bringen" (BVerfG NJW 93, 1749 f).
Zwar
ist dieser "Tatbestandsausschluß für beratene Schwangerschaftabbrüche"
bei fortbestehender Rechtswidrigkeit äußerst umstritten und "in die
strafrechtliche Dogmatik nicht integrierbar" (Dreger/Tröndle, 50. Aufl.,
Bem. 14 vor § 218). Dennoch muß es dem Angeklagten erlaubt sein, auf dem
Boden der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Schwangerschaftsabbrüche
als "rechtswidrig" anzuprangern.
5.
Bei
isolierter Betrachtung mag zwar die Auslegung der Behauptung der Vornahme
"rechtswidriger Abtreibungen" im umgangssprachlichen Umfeld im Sinne
des Beschlußes des Landgerichts Mannheim vom 27.11.2002 dahingehend zu
verstehen sein, daß im Städt. Klinikum Kemperhof strafbare Abtreibungen noch
der 12. Schwangerschaftswoche vorgenommen werden. Eine derartige isolierte
Betrachtungsweise der inkriminierten Äußerung ist jedoch unzulässig. Nach der
Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei der Ermittlung des Sinnes
einer Äußerung, den diese nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und
verständigen Publikums hat, stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen.
Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von
dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den
Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für den
Reziptienten erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen
Äußerungsteils wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige
Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht. Die Auslegung muß auch alternativen
Deutungen nachgehen, soweit diese strafrechtlich milder zu beurteilen sind ( BGH
NJW 2000, 3421 ff).
Schon
aus dem in dem betreffenden Flugblatt enthaltenen Hinweis auf die
Familienplanungszentren "Pro Familia" in denen bekanntermaßen
Beratungsscheine gem. § 219 Abs. 2 S. 2 StGB ausgestellt werden, zeigt mit
hinreichender Deutlichkeit, daß der Angeklagte die Vornahme beratener
Schwangerschaftsabbrüche gem. § 218 a Abs. 1 anprangern und nicht die Ärzte
des Städt. Klinikums als kriminelle Straftäter beschimpfen will.
Noch
klarer wird dies, wenn auf der zweiten Seite des Flugblattes eindeutig und in
der gleichen graphischen Hervorhebung von strafloser Tötung ungeborener
Kinder die Rede ist.
Es
ist nicht nachvollziehbar, wie das Landgericht angesichts dieser eindeutigen
Formulierung zu der Auslegung gelangen kann,
der verständige Leser des Flugblattes könne dieses im Sinne der Behauptung
verstehen, im Klinikum Kemperhof würden strafbare
Schwangerschaftsabbrüche nach der 12. Schwangerschaftswoche vorgenommen.
Ganz
von den Mißdeutungen im Rahmen der Auslegung durch das Landgericht Mannheim
abgesehen, würde es in diesem Falle auch an der subjektiven
Strafbarkeitsvoraussetzung fehlen, da der Angeklagte im Sinne seiner Kampagne
gegen die gesetzgeberische Lösung der Strafbarkeitsproblematik beim
Schwangerschaftsabbruch gerade nicht die Behauptung aufstellen wollte, es
würden strafbare Abtreibungen vorgenommen, sondern vielmehr auf die Problematik
strafloser "beratener" Abbrüche hinweisen wollte. Dementsprechend hat
der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung glaubhaft vorgebracht, es habe ihm
ferngelegen, die im Städt. Klinikum tätigen Gynäkologen der Vornahme
strafbarer Handlungen zu bezichtigen.
Im
übrigen ist darauf hinzuweisen, daß sowohl die Anklage als auch der
Eröffnungsbeschluß des Landgerichts Mannheim insoweit inkonsequent und in sich
widersprüchlich sind, als dem jeweiligen Standpunkt entsprechend nicht wegen
Beleidigung gem. § 185 StGB sondern wegen Verleumdung gem. § 186 StGB hätte
angeklagt bzw. eröffnet werden müssen.
Nach
alldem war der Angeklagte mit der Kostenfolge aus § 467 StPO freizusprechen.
Dr.
Münchbach
Direktor
des Amtsgerichts
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