Aus welchem Grund entscheiden
sich Ihre Patientinnen für einen Schwangerschaftsabbruch?
Viele Frauen kommen, weil die
Verhütungsmethode versagt hat oder weil sie einfach nicht verhütet
haben. Die Entscheidung für den Abbruch entsteht aus sozialen Nöten,
denn sie finden es schwierig, ein Kind zu finanzieren.
Wie ist der Weg zu einer Abtreibung?
Die Schwangerschaft muss erst einmal
durch einen Frauenarzt festgestellt werden. Dann muss die Frau sich
im Klaren darüber sein, ob sie die Schwangerschaft will. Wenn sie es
nicht will, muss sie mit ihrem Frauenarzt sprechen, der sie dann zu
einer Beratungsstelle schickt.
Wenn sie die Beratung gemacht hat und
sie dann sicher ist, dass sie abtreiben will, kann sie ins
Krankenhaus oder eine gynäkologische Praxis gehen und den Eingriff
dort vornehmen lassen. Wichtig ist: Der Arzt, der die
Schwangerschaft festgestellt hat und in der Konfliktsituatuion
berät, darf nicht den Abbruch durchführen.
Warum nicht?
Das hat der Gesetzgeber so
festgelegt, damit der Frauenarzt, der die Schwangerschaft feststellt
und berät, mit der Abtreibung nicht in einen Gewissenskonflikt
gerät.
In welcher psychischen Verfassung
sind die Frauen, die zu Ihnen kommen?
Alles mögliche. Von sehr nervös bis
todtraurig. Denn es gibt ja unterschiedliche Gründe, warum die
Frauen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.
Können Sie als Arzt Ihre Patientin
denn beruhigen?
Das ist schwierig. Letztendlich
obliegt es ja nicht mir allein, zu beraten. Ich kann auch einer Frau
niemals diese schwierige Entscheidung abnehmen. Ich muss aber
herauszufinden, ob die Patientin den Eingriff wirklich will. Wenn
ich merke, das ist nicht der Fall, dann gebe ich ihr noch mal die
Gelegenheit, ihre Meinung zu überprüfen.
Das heißt, es gibt auch Frauen, bei
denen Sie sagen: Nein, die schicke ich wieder nach Hause?
Ja, das kommt auch vor. Wenn die
Frauen hierher kommen, dann klären wir noch mal in einem Gespräch
über den Eingriff und seine Risiken auf. Und im Verlauf dieses
Gesprächs wird auch noch mal geschaut, ob die Entscheidung gefestigt
ist. Wenn ich dann die Vermutung habe, dass die Patientin noch
unschlüssig ist, sage ich auch ganz deutlich, dass sie noch einmal
ihre Entscheidung überprüfen und wieder nach Hause gehen soll.
Müssen Sie als Gynäkologe an
einer städtischen Klinik denn Schwangerschaftsabbrüche durchführen?
Nein. Schwangerschaftsabbruch ist in
Deutschland kein Zwang. Also weder kann die Frau dazu gezwungen
werden, noch kann der Arzt dazu gezwungen werden, ihn durchzuführen.
Auch der Chefarzt kann nicht bestimmen, wer die Operation durchführt
oder nicht. Dafür gibt es auch keine vertragliche Verpflichtung. Es
gibt Kollegen, die machen es nicht.
Ist das auch an anderen
Krankenhäusern so?
An konfessionellen Kliniken werden
generell keine Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Dahin kann eine
Frau in diesem Fall also gar nicht gehen. An einigen privaten
Kliniken wiederum kann es zur Einstellungsbedingung für Gynäkologen
gemacht werden, dass sie auch Abtreibungen vornehmen.
Ein Arzt muss sich also, bevor er
sich auf eine bestimmte Stelle bewirbt, darüber im Klaren sein,
welche Einstellung er zur Abtreibung hat?
Grundsätzlich ja. Man darf seine
Meinung aber auch ändern. Ich finde es allerdings schwierig, wenn
man dazu keine grundsätzliche Meinung hat und dann nach dem Motto
mal ja und mal nein agiert. Entweder ich bin grundsätzlich für die
Abtreibung oder gegen die Abtreibung. Sonst kommt man auch der
Patientin gegenüber in Erklärungsnöte. Ich persönlich denke bei
jedem Fall darüber nach und überlege, ob das für die Patientin das
Richtige ist und ob mein Gewissen da mitspielt. Und es gibt Fälle,
da kann ich ganz offen sagen, da wird mir bei der Operation schlecht
und ich mache sie trotzdem.
Trotzdem haben Sie sich ja
entschieden, Abtreibungen durchzuführen. Aus welchem Grund?
Ich bin letztendlich Gynäkologe
geworden, um Patientinnen zu helfen, in jeder Situation. Ich helfe
Frauen bei Geburten oder auch Krebspatientinnen. Und für mich gehört
Hilfe eben auch dazu, wenn eine Frau sagt, ich will mein Kind nicht
austragen. Da nicht helfen zu wollen, fand ich für mich immer
schwierig. Natürlich gibt es immer zwei Seiten. Auch das Kind hat
ein Recht auf Leben. Aber ich habe mich eben entscheiden, welches
Recht für mich mehr wiegt, und da habe ich für mich entschieden, das
ist das Recht der Frau.