Der Leidensdruck endet im OP-Saal
Kinderwunsch-OP, Schwangerschaftsabbruch, Kinderwunsch-OP, Schwangerschaftsabbruch. In diesem Rhythmus kann ein Arbeitstag verlaufen. „Schwangerschaftsabbrüche macht niemand gern, wenn wir dagegen einer Frau helfen können, schwanger zu werden, ist das sehr schön“, sagt Alexander Maucher, ein hemdsärmeliger Typ Ende 50.
Die
Tagesklinik von Maucher und Udo Auweiler
liegt etwas abgelegen, im fünften Stock, am Ende eines Ganges. An
den Wänden hängen Ölbilder, die entstehendes Leben zeigen. Im
Wartezimmer sitzen sich eine etwas blasse junge Frau und ein nicht
mehr ganz so junges Paar gegenüber.
Feine Werkzeuge
Im Radio
läuft leise „I'm to sexy“ von „Right said Fred“, als um 8.15 Uhr
die erste Frau operiert wird. Maucher entfernt ein gutartiges
Gebärmuttergeschwulst, reine Routine. „Mitte der 90er Jahre haben
die meisten Ärzte bei solch einer OP noch den ganzen Bauch
aufgeschnitten“, sagt der Gynäkologe. In Hürth reichten schon
Jahre zuvor zwei Endoskope mit Minikameras und feinen
Greifwerkzeugen. Wenige Minuten nach der OP erwacht die Frau aus
der Narkose. Nach drei Stunden verlässt sie mit ihrem Mann die
Klinik.
Mehr als 3000 Frauen werden im OPZ Jahr für Jahr operiert. Im Bereich der endoskopischen Chirurgie genießt die Tagesklinik einen exzellenten Ruf. Für manche Operationen wie die Wiederfruchtbarmachung nach vorheriger Sterilisation kommen sogar Frauen aus dem Ausland.
Aus den Lautsprechern ertönt „Still haven't found what I am looking for“ von U 2, als Maucher der nächsten Frau auf dem OP-Tisch keine gute Prognose ausstellt. Die Patientin ist Anfang 40, wünscht sich ein Kind - und weiß nicht, warum es nicht klappt. Ihre Hormonwerte sind in Ordnung, die Spermien ihres Partners ausreichend beweglich. Ein Blick in den Bauchraum schafft Klarheit: Mehrere Tumore werden auf dem Bildschirm sichtbar, dazu unscheinbare Wölbungen an der Gebärmutterwand.
„Jede Menge Endometriosen“, diagnostiziert der Arzt. Mit 40 sei jede dritte Frau davon betroffen - die nichtentzündlichen Erkrankungen der Gebärmutterschleimhaut können zu Unfruchtbarkeit führen, indem sie den Eileiter blockieren oder anderweitig die Befruchtung verhindern. Maucher sagt: „Wenn Endometriosen richtig behandelt werden, sind die Chancen gut, dass eine Frau danach schwanger wird.“
Viel zu oft werden die Krankheitsherde freilich übersehen. So bei Evelyn G.. Ihre Geschichte ist nicht ungewöhnlich. Nach Studium und ersten Jahren im Beruf habe sie sich mit ihrem Mann erst mit 36 zu einem Kind entschlossen, sagt die Frau aus dem Rhein-Erft-Kreis. Weil sie nicht schwanger geworden sei, hätten sowohl sie wie ihr Mann sich überprüfen lassen. Ihre Regel-Beschwerden diagnostizierten Frauenärzte als Eileiterschwangerschaft und verordneten Hormone. Evelyn G. lief von Arzt zu Arzt, schwanger war sie nach drei Jahren immer noch nicht. Alexander Maucher vermutete schon nach dem ersten Gespräch und einer Ultraschall-Untersuchung Endometriosen - und riet zu einer OP. Für die Operation waren 20 Minuten angesetzt. Sie dauerte über drei Stunden, so viele Krankheitsherde musste der Gynäkologe entfernen. Ein knappes Jahr nach der Operation wurde Evelyn G. schwanger. Ihre Tochter ist inzwischen sechs Jahre alt.
Baby-Postkarten
Zwischen den Operationen eilt Maucher in sein Büro. Schreibt Diagnosen und OP-Verläufe, druckt Bilder der Operation aus und telefoniert. „Sie wollen doch nicht operiert werden? Das ist schön. Dann alles Gute.“ Eine Frau hat sich spontan entschieden, ihr Kind doch auszutragen. Über jeden Schwangerschaftsabbruch, den er nicht machen muss, ist der Arzt froh. Für den Tagesplan bedeutet das: Etwas mehr Zeit, um mit der letzten Patientin über den OP-Verlauf zu sprechen. Einer Frau mitzuteilen, dass es wohl nichts mehr werden wird mit einem eigenen Kind, ist nicht leicht. Um so größer die Freude, wenn mal wieder eine Baby-Postkarte mit einem Dankesgruß ins Haus flattert.
Über die Möglichkeiten der Mikrochirurgie, das geringe Risiko und die erstaunlich schnelle Regeneration der Frauen, die fast alle nach ein paar Stunden nach Hause fahren, spricht der 59-Jährige, der schon fast 9000 Bauchspiegelungen durchgeführt hat, beschwingt wie übers Tennisspielen. Schwer seien mitunter Gespräche über Schwangerschaftsabbrüche. „Da bin ich froh, nicht beratend tätig sein zu müssen.“ Er habe sich damit abgefunden, im Spannungsfeld zwischen Leben und Tod zu arbeiten, sagt Maucher. „Ich sehe meine Aufgabe darin, zu helfen.“