Das Amtsgericht hat einen Hattinger Gynäkologen zu sechs Monaten
Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte einen Schwangerschaftsabbruch ohne
Beratung vorgenommen.
Er habe doch nur ein Menschenleben retten wollen, beteuerte der Gynäkologe.
Vor Gericht musste er sich gestern wegen der Tötung ungeborenen Lebens
verantworten. Der Arzt hatte im Mai 2008 in seiner Hattinger Praxis einen
Schwangerschaftsabbruch bei der 26-jährigen Patientin vorgenommen – ohne den
vorgeschriebenen Beratungsschein.
Die Verhandlung vor dem Hattinger Amtsgericht offenbarte ein Drama. Ihr
damaliger Freund, der selbst verheiratet ist, habe sie massiv bedroht, sagte
die junge Duisburgerin unter Tränen. „Er wollte mir das Kind mit einem
Messer aus meinem Bauch holen, wenn ich nicht abgetrieben hätte.” Sie habe
den Bruch mit ihrer Familie gefürchtet. Die Muslimin erinnerte das Gericht
an ihren religiösen und kulturellen Hintergrund: „Bei uns darf man erst
schwanger werden, wenn man verheiratet ist.”
400 Euro gezahlt
Hilfe fand sie beim Hattinger Arzt, der seit Jahren die ganze Familie
behandle. „Er ist wie mein zweiter Vater.” Fragen nach dem Beratungsschein
habe es nicht gegeben. Ihr Freund sei für die Behandlung aufgekommen. „Ich
habe 400 Euro gezahlt”, erinnert sich der 35-Jährige, der als Zeuge geladen
war. „Cash.”
Der Gynäkologe, der erst nicht aussagen wollte, beteuerte, dass er nur
abgetrieben habe, weil er Angst um die Frau hatte. „Es bestand Gefahr für
Leib und Leben.”
Zulassung in Gefahr
Die Rechtfertigung konnte Richter Johannes Kimmeskamp nicht nachvollziehen.
Er verurteilte den Arzt zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung. „Sie waren
nicht in der Situation einer gegenwärtigen Gefahr.” Die Abtreibung habe auch
mit Beratung noch innerhalb der Frist stattfinden können. Der Gynäkologe
muss außerdem 5000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen. Er muss auch um
seine Zulassung fürchten.
Kimmeskamp kritisierte den Arzt auch für sein „taktisches Verhältnis zur
Wahrheit.” Er hatte die Patientin eine Erklärung unterschreiben lassen, die
seine Unschuld beweisen sollte. Wegen Verdunklungsgefahr erging deshalb ein
Haftbefehl, der mit dem Urteil aufgehoben wurde.
Arzt ist kein Unbekannter
Der Arzt musste sich schon mehrfach vor Gericht verantworten. Zwei
weitere Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und einer fehlgeschlagenen
Cellulitis-Behandlung stellte das Gericht gegen die Zahlung höherer Beträge
ein. Dazu kommen Privatklagen.
Quelle:WAZ: 16.9.2009
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